Dr. Angelika Brinkmann
Jedes Jahr im August/September treten sie auf wie Laurel und Hardy: Die
Ausbildungslücke und der Lehrstellenmangel. Allerdings trifft dies nicht
auf alle Bereiche zu. So werden in der mit wenig Sozialprestige behafteten
'Systemgastronomie' Auszubildende gesucht .(Berliner Zeitung 28.08.06, aber
ansonsten gilt es zu suchen siehe Tagespiegel vom 03.09.2006)
In diesem Jahr kam noch ein weiterer Aspekt hinzu: In einer neuen OECD Studie
wurde die mangelnde Dynamik des deutschen Bildungssystems und die geringe
Anzahl von Hochschulabsolventen beklagt. (Berliner Zeitung vom 13.09.2006)
Nur einen Tag später informiert ein anderer Artikel über die 'Praktikantenausbeutung'
von Akademikern, die Arbeitsminister Müntefering nun angehen möchte.
Diese und andere Widersprüche will der nachfolgende Beitrag erörtern.
Man kann die Auffassung vertreten, Bildung sei aus altruistischen Gründen
sinnvoll. Die meisten Menschen folgen aber einem Ziel: Mit Hilfe einer guten
(Aus-)Bildung eine sie ernährende Tätigkeit auszuüben. Hierbei
spielt der Wunsch nach gesellschaftlichem Aufstieg eine nicht unwichtige Rolle.
Dieses Thema findet sich häufig in der Literatur. Stellvertretend sei
hier auf zwei Romane verwiesen, die dies sehr schön beschreiben: Theodore
Dreiser “Eine amerikanische Tragödie” (1925), verfilmt 1931
unter der Regie von Josef von Sternberg und 1951 von George Stevens, in den
Hauptrollen Elizabeth Taylor und Montgomery Clift. Der andere Roman stammt
von Patricia Highsmith “Der talentierte Mr. Ripley” (1955) und
wurde 1962 unter der Regie von René Clement mit Alain Delon in der
Hauptrolle verfilmt. Die jüngste Version stammt von Anthony Minghella
(1999) und hatte Matt Damon, Gwyneth Paltrow als Hauptdarsteller.
In der realen Welt gab es ein nicht so weit zurückliegendes Ereignis,
das diesen Drang aufs traurigste bestätigte: Der Fall Marcus Gäffgen,
der durch Entführung und Erpressung sein Leben in der obersten Gesellschaftsschicht
hoffte fortsetzen zu können. In diesen Kontext gehört auch der Fall
einiger Berufsschüler in Hildesheim, die einen Mitschüler bestialisch
quälten; sie alle befanden sich in einem Berufsvorbereitungsjahr, d.h.
ein Klassenverband, der Jugendliche auf einen Start ins Berufsleben vorbereiten
soll. Doch was für ein Start, welches Berufsleben? Gefragt, was sie sich
vorstellen, antworteten sie “Ein großes Auto, Haus, toller Job”,
Dinge, die sie bei realistischer Betrachtung nur sehr schwer realisieren können.
Nach wie vor wird die Idee des gesellschaftlichen Aufstiegs auch von Politikern
gerne bemüht. (Vgl. dazu das Interview mit Umweltminister Gabriel im
Tagespiegel, 30.07.06) Hier vertritt der Minister die Meinung, dass vor 20
Jahren die Möglichkeit des gesellschaftlichen Aufstiegs bestand. Es wird
nicht klar, was der Minister genau meint. Den des Arbeiterkindes zum Beamten?
Das dies so einfach nicht stimmt, hat der Soziologe Michael Hartmann in seiner
detaillierten Analyse “Der Mythos von den Leistungseliten” (F/M,
2002), nachgewiesen. Ihm ging es auch darum herauszuarbeiten, ob die Bildungsexpansion
der siebziger Jahre tatsächlich die Aufstiegschancen für Kinder
der Arbeiter-/unteren Mittelschicht erhöht hat.
Seine Bilanz fällt ernüchternd aus: Objektive Erfolgsfaktoren wie
kurze Studienzeiten, Auslandserfahrungen oder Praktika, zählen vergleichsweise
wenig. Auch heute sind die Chancen für formal gleich qualifizierte extrem
ungleich verteilt. Während er für Großunternehmen den entsprechenden
“klassenspezifischen Habitus” als Karrieremuster ausmacht, gilt,
im Unterschied zum politischen Führungspersonal in Großbritannien
und Frankreich, dass die deutschen Parteien durchlässiger seien, was
u.a. durch ihre größere, sozial breiter gefächerte Mitgliedschaft
zu erklären sei. Der gewünschte Habitus sei deswegen weit weniger
vom Bürgertum geprägt als in der Wirtschaft. Dies erklärt dann
auch die Auffassung Gabriels; es handelt sich um Aufstieg durch die Partei.
Ist die soziale Herkunft also nur für den Bildungserfolg verantwortlich oder nicht auch für den beruflichen? Viele Ämter in der Wirtschaft ergeben sich für Politiker erst aufgrund ihrer politischen Funktion. Hartmann verweist aber auch auf einen anderen Aspekt: Den Verdrängungswettbewerb in gehobenen Positionen der Wirtschaft hin zu anderen Sektoren, wo die 'Bürgerkinder' die 'Aufsteiger ' aus der breiten Mittelschicht und der Arbeiterklasse verdrängen.(ebda. S.146) Auch für die Wissenschaft verweist er auf dieses Phänomen. (S. 137) Da aber aufgrund der Internationalisierung der Wirtschaft immer mehr mittlere Positionen 'verschwinden' oder ins Ausland verlagert werden, wird der Aufstieg für andere Schichten immer schwieriger. Unabhängig vom Bildungserfolg ist es also vor allem die gesellschaftliche Herkunft, welche berufliche Laufbahnen und Entscheidungen beeinflußt.
Das Humboldtsche Modell von Universität war gedacht für die herrschaftsfreie
Versöhnung von auf sich selbst gestellter Wissenschaft und vernünftigem
Staatsleben. Gedacht als machtgeschützter Bereich vor den außerwissenschaftlichen
Interessen. Die Hochschulgesetzgebung der letzten beiden Jahrzehnte hat das
Nebeneinander von Staats-und Selbstverwaltung bis auf wenige Aussnahmen zugunsten
der staatlichen Dominanz aufgehoben.
Der staatliche Machtzuwachs diente zunächst dazu, die Bedingungen für
den Abbau zu diktieren und nunmehr zur Gestaltung der Wissenslandschaft. Die
Neugliederung der Universitäten nach dem 2. Weltkrieg war gemäß
Artikel 5, Abs. 3 Sat 1 GG erfolgt: “Kunst und Wissenschaft, Forschung
und Lehre sind frei.”Die Turbulenzen am Ende der 60er Jahre bedeuteten
das Ankommen der Bundesrepublik in der gesellschaftlichen Normalität.
Unter der Regierung Kohl mutierten die damals getrennten Ressorts Bildung
und Forschung zu einer Art 'Rangiergleis' für Kabinettsposten. Erinnert
sich noch jemand an Paul Krüger, Karl-Heinz Laermann, Rainer Ortlepp,
Dorothee Wilms? Zwei Minister machten mehr von sich Reden. Karl-Heinz Riesenhuber
(Ressort Forschung und Technologie) und der heutige NRW-Ministerpräsident
Jürgen Rüttgers; letzterer entfachte aber mehr Wind als das er konkrete
Spuren hinterliess. Mit Edelgard Bulmahn kam eine Ministerin ins Amt, die
sich im dichten Gewebe der deutschen Forschungslandschaft exzellent zurechtfand.
Eines ihrer Hauptprojekte war die Einführung von Juniorprofessuren, auch
gegen grossen Widerstand der etablierten Professorenschaft. Nachfolgerin Anette
Schavan, als ehemalige Kultusministerin von Baden-Württemberg auch eine
exzellente Kennerin der Materie, versucht nun an anderer Stelle weitere Akzente
zu setzen, z.B. durch die Einrichtung von 'Dozentenstellen' um dem von Experten
erwarteten Anstieg der Studentenzahlen um 700.000 bis 2014 bewältigen
zu können. (Interview in der Berliner Zeitung 29./30.07.2006)
Gemäß Artikel 12, Abs. 1GG(freie Wahl der Ausbildungsstätte) ist eine Planung von Studienplätzen nach Maßgabe der Wirtschaftsentwicklung nicht erlaubt. Der Staat darf zwar, um Qualitätsstandards zu wahren, den Zugang zu überfüllten Studiengängen beschränken. Allerdings ist er dann verpflichtet durch Erweiterung der Kapazitäten der Nachfrage nachzukommen. Durch eine Reihe von Rerformgesetzen entstand 1968 die Gruppenuniversität, die, verkürzt dargestellt, als eine Art Ständeparlament fungierte wo die 'Funktionsgruppen' Professoren, wiss. Mitarbeiter sonstige Bedienstete etc. ihre Interessen vertreten können. In der ersten Hälfte der 70er Jahre waren die politisch gewollte Expansion der Kapazitäten und die steigende individuelle Bildungsbeteiligung noch in Gleichklang. Das HRG von 1976 favorisierte den sozial durchlässigen, Wissenschaft und Praxis integrierenden, Typ Gesamthochschule, der allerdings 10 Jahre später von einer anderen Regierungskoalition zurückgenommen wurde.
In der Zwischenzeit hatte sich wirtschaftlich eine Menge geändert. Nunmehr
entstand der Eindruck, die Steigerung der Studienlast sei durch “Untertunneln”
zu lösen, d.h. die massenhaften Zulassungen wurden durch innere Einsparungen
ergänzt, sowie optimierter Kapazitätsauslastung und Effizienzsteigerung.
Das“Eckwerte-Papier der Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Vorbereitung
des vorgesehenen bildungspolitischen Spitzengesprächs 1993” vom
05.05.1993 bündelte verschiedene Forderungen im Zuge der Ausdehnung der
westdeutschen Hochschulorganisation auf die neu errichteten Länder auf
dem Gebiet der ehemaligen DDR und täuschte so eine gewisse Lebenstüchtigkeit
vor. Das Eckwertepapier war ein Katalog von Maßnahmen, z.B. für
die berufliche Aus-und Weiterbildung, mit Zuständigkeiten für die
Durchführung und Zeitperspektiven. Die Finanzierung des Mehraufwandes
war zwischen Bund und Ländern strittig, was zu großen Verzögerungen
in der Umsetzung führte. Letztendlich ging es um zwei gegensätzliche
Ziele: Auf der einen Seite eine allgemein erwünschte Erhöhung der
Bildungsbeteiligung der eine zunehmende Nachfrage nach Studienplätzen
entgegenkommt. Andererseits das Bestreben die dafür erforderlichen Haushaltsmittel
nicht bereit stellen zu wollen. Entscheidend für die Effektivität
ist somit die Studiendauer, d.h. die Studienreform ist zunächst Verkürzung
der Studienzeit. Das HRG setzte diese 'Eckwertepolitik' fort, d.h. den Rückzug
des Staates aus der materiellen Gewährleistung des Wissenschaftssystem.
Es scheint als würde in den Bildungs-und Wissenschaftseinrichtungen ein Transformationsprozess hin zu verlängerten Werkbänken des internationalen Wirtschaftssystems erfolgen. Jene Prozesse, mit denen die Individuen sich qualifizieren, mit denen sie sich Wissen, Fertigkeiten, Kenntnisse und Kompetenzen aneignen, werden stärker erfolgsorientiert angelegt und wirtschaftlicher ausgerichtet, wie z.B. in Form von public-private-partnerships von Schulen, dem 'Netzwerk innovativer Schulen' in NRW in Kooperation mit der Bertelsmann-Stifutung. Angesichts der starken Bedeutung des Arbeitsplatzes für das Selbstwertgefühl des Menschen, ist diese Entwicklung positiv zu bewerten.
Im Gegensatz dazu sah das klassische bürgerliche Gesellschaftsmodell öffentliche, von der Gemeinschaft für die Gemeinschaft errichtete Bildungs-und Wissenschaftsinstitutionen vor. Es wird aber immer deutlicher, dass staatliche Schulen und Hochschulen, den internationalen Wettbewerbsbedingungen nur noch bedingt genügen. Unter Hinweis auf die 'leeren Kassen' werden staatliche Bildungseinrichtungen nicht mehr in aussichtsreicher Weise unterstützt, wodurch sich dann natürlich leichter darlegen läßt, dass sie den erhöhten Anforderungen nicht mehr standhalten können. Daran schließt sich die unterschiedliche Aneignung der sogenannten Kernkompetenzen wie Lesen, Schreiben, Zeichnen, Rechnen, logisches Denken an. Je nach Schulform und elterlicher Herkunft ist die Sprachaneignung und Sprachbeherrschung der Schüler, die sie dank weiter fortgeschrittener Technik erwerben aber sehr unterschiedlich. Selbst wenn die Ausstattung an Schulen mit Computern weiter voranschreitet, die dazugehörenden digitalen Kameras, Scanner sind nicht in jedem Haushalt vorhanden. So finden Bildungs- bzw. Qualifizierungsprozesse statt, die einen wesentlichen Grund für das Kompetenz- und Wissensprofil im Zeitalter von Multimedia bilden. Sie sind ein wichtiger Schritt in qualifizierte und gut bezahlte Tätigkeiten, aber auch Grundlage von Unternehmensgründungen.
Jenen Schulen, die mit potenten Eltern- und Fördervereinen (oder wie in NRW, mit dem Interesse der Bertelsmann-Stiftung) bedacht werden, fehlt diese Ausstattung nicht. Das Geld für eine solche Ausstattung fehlt zwei Dritteln der Schulen und ebenso vielen Schüler/innen aus den nicht wohlhabenden, bildungs-und technologiefernen Schichten, davon der weitaus größte Anteil im Bereich der Migrantenfamilien, mindestens vier Fünftel der Kinder alleinerziehnder Mütter und Väter, außerdem wieder mehr Mädchen als Jungen. Es fehlt also genau jenen Mädchen und Jungen , die durch die systematische (Kultur)-technologische Unterausstattung der öffentlichen Schulen von zukunftsträchtigen Bildungs-und Qualifizierungsprossen derzeit abgehängt werden.Wie wichtig elterlicher Einfluss ist, läßt sich beispielhaft dem Bericht eines Kindes mexikanischer Einwanderer in die U.S.A. entnehmen; er wächst im berüchtigten Stadteil Watts von L.A. auf, aber trotz des damit verbundenen schlechten Umfelds, einschließlich Mitgliedschaft in einer Gang, gelang es ihm, sich von dieser Umgebung zu lösen und Journalist zu werden. Ein Hauptmotivator war sein Vater, der Rektor einer Hauptschule in Mexiko gewesen war und den Wert von Bildung kannte. (Rodriguez, Luis J.: Always Running, La vida loca: Gang Days in L.A., New York 1993) Hier schrecken dann auch immer Berichte auf, dass seit der Einführung von Hartz IV die Kinderarmut in Deutschland dramatisch zugenommen hat.(Berliner Zeitung 28.07.06) Gerade die Informations-und Kommunikationstechnologien aber können Zugang zu Wissen und Information erleichtern und verbilligen. Bildung wird und ist bereits von einer Besitzkategorie, als welche Bourdieu sie analysiert, in eine eigentumswirtschaftliche Kategorie transformiert worden.
Einigen Schulen gelingt es, 'Sponsoren' anzuziehen, aber die Schere die sich zwischen dem 'freien Markt' , Medien, Wirtschaftsinteressen und Konsumwelten großer Bereiche der Jugendkultur der qualifizierten, großenteils urbanen Schichten auf der einen Seite auftut, und der Jugendkultur der nicht wohlhabenden, bildungs-und technologiefernen Bevölkerung auf der anderen Seite wird größer. Dies hängt u.a. mit dem Verfall des schulischen Berechtigungswesens, nicht zuletzt des Abiturs zusammen.
Nach erfolgter Bildungsexpansion in den 70erJahren haben die ausschließlich im Nationalstaat angesiedelten öffentlichen Bildungs-und Wissenschaftseinrichtungen an Bedeutung verloren. Es wird darauf hinauslaufen, eine Art 8-10jährige Elementar/Grunderziehung beizubehalten. In letzter Konsequenz kann dies eine radikale Reduzierung auf 100 Gymnasien und 10 Universitäten bedeuten, die für die Reproduktion der 'gehobenen Bildung' zuständig sind. Jenseits davon wird das Geld, öffentliches wie privates, dass in diese Einrichtungen fließt, zu einer Investition, die sich rechnen muss. In diesem Zusammenhang wird dann gelegentlich von der 'Investition in die Köpfe' gesprochen. Aber welche Vorstellung existiert eigentlich über den König? König? Ja, den 'return on investment' (roi, frz. König) das Verhältnis zwischen investiertem Kapital z.B. aus dem Bundeshaushalt für Bildung, und dem erzielten Gewinn, in diesem Fall der Ausbildung unterschiedlichster Art? Es ist hier nur zu vermuten, dass die Vorstellung besteht, die so zur Investition gewordenen Kinder/Studenten werden dann zu vielen Boschs, Siemens, etc. und auf diese Weise den Industriestandort Deutschland wiederbeleben. Angesichts der Debatten über die Höhe und den Ort des einzusetzenden Kapitals (Eliten-versus Breitenförderung) und des geringen Sozialprestiges von Selbstständigen aufgrund der häufig vorkommenden Selbstständigkeit aus Arbeitslosigkeit in Form von ehemaligen AlGII Empfängern als 'Ich-AG', scheint dies ein Irrweg.
Das gesellschaftliche Vorbild ist nach wie vor der Angestelltenstatus. Bei den sogenannten Freien Berufen , Architekten, Designer, Medienberufe, existiert die Kategorie 'Generation Praktikant' (so der Titel einer Sendung auf Arte). Dies ist scheinbar die Weiterentwicklung des 'Akademikerproletariats' aus den 1980er Jahren. Den Begriff brachte Prof. Dieter Timmermann in eine Diskussion zum Thema Lebenslanges Lernen, Anfang Sept. in Potsdam ein. Angesichts dieser gegenwärtigen gesellschaftlichen Entwicklung sind vor allem auch in der öffentlichen Wahrnehmung vermehrte Anstrengungen vorzunehmen, um Hochschulabsolventen vor dem Gang ins Ausland abzuhalten.
Einige Schlüsselbegriffe sind Bestandteil jedweder Diskussion über
Bildungspolitik: Begabung, Leistung, Eignung, Motivation.
Die Ungleichheit im Bildungssystem könnte also die Antwort auf gesellschaftlich
gerechte und vernünftige Organisation natürlicher Unterschiede sein.
Hierzu ist es zunächst erforderlich, die unterschiedlichen Begabungen
und die Geeigneten zu erkennen und auszuwählen. Begabung ist aber kein
Wert an sich, sie erfolgt vielmehr durch Verausgabung von Leistung mittels
externer Motivation. Das allgemein gültige Mittel hierzu sind Noten als
Leistungsäquivalent. Dieses Prinzip stammt aus dem 19. Jahrhundert (Foucault,
Michel: Überwachen und Strafen, Frankfurt/M, 1977, Kap. III.2, 'Die Mittel
der guten Abrichtung).
Die Begabung steht am Anfang. Sie ist im Alltagssprachgebrauch eine nicht
weiter rückführbare, also angeborene Disposition/Veranlagung, die
zur Produktion besonderer Leistung befähigt. Begabung ist ein Begriff,
der zur Erklärung von beobachtbaren Leistungen herangezogen wird, man
kann sie nicht beobachten, aber mit ihrer Hilfe Beobachtetes deuten. Es wird
von 'Leistung' auf 'Begabung' geschlossen, die aber eigentlich als Ursache
für Leistung gelten soll.
Den Begabungsbegriff derart auszugestalten bedeutet nicht automatisch, Leistungsunterschiede
zu leugnen. Betrachtet werden damit zunächst nur der wissenschaftlich
herausgehobene Rang und die gesellschaftliche Funktionalität der biologisch-genetischen
Erklärung von Leistungsunterschieden. Die Funktion/Aufgabe dieser Erklärung
besteht vor allem in der Abstufung von Unterschieden und dem damit einhergehenden
erleichterten Sortieren von Individuen. Immer wieder stellt sich heraus, dass
die Rede von der natürlichen, angeborenen Begabung im Gegensatz steht
zum wissenschaftlichen Problem, dass das Verhältnis der natürlich-biologischen,
sowie der gesellschaftlichen und individuellen biographischen Dimensionen
überhaupt nicht so klar ist. Mit diesem müssen sich einerseits diejenigen
befassen, die versuchen unterschiedliche Leistungen zu deuten, als auch diejenigen,
die milieutheoretische gesellschaftliche Bedingungen als Hauptfaktor ansehen.
Andererseits auch diejenigen, die das eher als subjektwissenschaftliches Konzeption
deuten. Diese gehen davon aus, dass menschliche Lebensäußerungen,
also auch 'Leistungen', weder Ausdruck natürlicher noch gesellschaftlicher
Determination sind, sondern in der Verwirklichung widersprüchlicher gesellschaftlicher
Handlungsmöglichkeiten begründet sind.
Der Autorin ist nicht bekannt, inwieweit es bisher gelungen ist, “Begabung”
unabhängig von beobachtbaren Leistungen, bzw. Leistungsunterschieden
empirisch zu verifizieren. Dies führt nun aber nicht dazu, auf wissenschaftlicher
Ebene damit neutral umzugehen. Indem man bei dem Erklärungsmuster 'unterschiedliche
Begabung' verharrt, um Höchstleistungen von normaler Leistung zu erklären,
wird eigentlich auf eher unwissenschaftliche Art vermieden, nachzuforschen,
ob nicht auch hierfür spezielle, fördernde oder hinderliche Lebensverhältnisse
verantwortlich sind.
Das Konzept der Begabung sollte schon deswegen genauer hinterfragt werden,
weil es, laut Marx, vom Ensemble der gesellschaftlichen Verhältnisse
abstrahiert, aus dem Individuum ein 'abstrakt-isoliertes' macht. Es kann also
nicht nur darum gehen, abstrakte wissenschaftliche Zuschreibungen vorzunehmen,
denn Zuschreibungen und Klassifikationen sind abstrakt, weil sie von den Handlungsursachen
und -prämissen des Individuums absehen. Es soll aber auch dargestellt
werden, dass menschliches Handeln weder durch Bedingungen noch Seinsqualitäten
bestimmt wird, sondern durch umfangreiche, teilweise widersprüchliche
Handlungsmöglichkeiten bedingt ist.
Im Gegensatz zu Klassifikationen von Menschen ist die Herausarbeitung von
Handlungsmöglichkeiten entwicklungsorientiert. Verhaltensvorhersagen
gehen häufig mit eigenschaftsgeleitetem/geprägtem Denken einher,
weil sie für die dabei auch in die Zukunft mitgedachte Verhaltenskonstante
eine stabile Basis benötigen/annehmen müssen. Isolierte Betrachtungsweise
friert Zustände ein, statt Entwicklungen zu befördern.
Was nun die Motivation betrifft, so geht die bürgerliche Vorstellung
davon aus, dass allein das inhaltliche Resultat einer Anstrengung diese Anstrengung
nicht lohnt (ohne Fleiss kein Preis!). Es muss noch etwas hinzukommen, das
mit der Sache, um die es geht, inhaltlich nichts zu tun hat. Traditionelle
Lerntheorien unterscheiden in diesem Zusammenhang zwischen intrinsischer und
extrinsischer Motivation (so z.. Daniel Pink: A whole New Mind. Moving from
Information Age to the Conceptuel Age, zit. in: Friedman, Thomas L.: The world
is flat. A brief History of the Twenty-First Century, New York 2005/06, erweiterte
Ausgabe, S. 306; aber auch: Heckhausen, H. Motivation und Handeln, Berlin
1989) Danach nutzen externe Verstärker oder Belohnungen nur dann, wenn
die Aktivität selber nicht schon interessant und insofern für sich
selber belohnend ist. Ein Kind, das mit grossem Interesse/Antrieb sich einem
Chemiebaukasten widmet, beschädigtes Spielzeug selbst repariert, bedarf
keiner weiteren Belohnung wenn es fertig ist. Was das Modell nicht erklären
kann, ist eine Anstrengung/Sache nicht nur um ihrer Selbstwillen zu tun, sondern
mit dem Ziel sie zu verstehen und dies umsetzen auf die Möglichkeit der
Erweiterung von Verfügung über Lebensqualität.
Noten sind, allgemein formuliert, auf Leistungsäußerungen bezogene
Rückmeldungen, deren Form den eher prinzipiell positiven Effekt einer
sächlichen Rückmeldung entwertet. Eine Note, in ihrer abstrakt-quantitativen
Differenzierung ermöglicht über diese Abstraktion auch den interindividuellen
Vergleich abstrakter Leistungen. Kurz gesagt ist die Notenform der Rückmeldung
vergleichbar mit der Lohnform in der Produktion. Der abstrakte Vergleich wiederum
ist herausragendes Merkmal der Benoteteten untereinander. Eine Verschärfung
tritt dadurch ein, dass die Benotung normal verteilungsorientiert ist, also
in ihrer Funktion sinnlos würde, wenn alle dieselbe Note erhielten bzw.
es nur die Kategorien “Bestanden/nicht bestanden” geben würde.
Die Verteilungorientierung bedeutet eben, dass eine Leistung relativ zu denen
der anderen gesehen wird. Die Umwandlung inhaltlich und qualititativ verschiedener
Leistungen in eine quantitativ-abstrakte Skala ist ein mit vielen Unwägbarkeiten
behafteter Transformationsprozess. So unterschiedliche Noten wie in Musik,
Sport, Alt-Griechisch und Mathematik ergeben eine Durchschnittsnote und bilden
den Kern einer Sachentbundenheit, deren zweifelhafter Charakter die Notenform
ausmacht, die nach herrschender Auffassung denmbürgerlichen Leistungs-und
Lebensorientierungswert entspricht.
In der gängigen Evaluations-Überlegung steht der politisch-ökonomische
status quo nicht nur nicht zur Disposition, sondern wird als abstrake Form
der “Gesellschaft” gar nicht erst thematisiert. Auf dem Prüfstand
steht dann immer nur die Schule, nicht die Gesellschaft.
Im Jahre 2003 gab es sowohl eine IGLU (Internationale Grundschul-Lese-Untersuchung)-Studie
als auch eine Pisa-Studie zu kommentieren. Während nach allgemeiner Lesart
die IGLU-Studie Ausdruck der Qualität der Grundschule war, wurde das
Ergebnis der Pisa-Studie als Ausdruck der schlechten Qualität des deutschen
weiterführenden Schulsystems interpretiert. Ist dieser Vergleich aber
so durchführbar? Pisa gewichtet die angelsächsischen und nordeuropäischen
Länder positiv, während die mitteleuropäischen Länder
und Osteuropa sehr schlecht abschnitten, die jedoch bei IGLU sehr gut beurteilt
wurden. Leistungsvergleiche, die sich auf bestimmte theoretische Konstruktionen
der Leistungsmessung stützen, sollten aber nur dann als valide Instrumente
internationaler Vergleiche herangezogen werden, wenn sicher gestellt ist,
dass nicht bestimmte Ländergruppen mit einem bestimmten sprachlichen
und kulturellen Hintergrund wie die osteuropäischen und mitteleuropäischen
Länder, systematisch benachteiligt werden.
Dies kann vermieden werden, wenn man Aussenkriterien zu Hilfe nimmt, die es
ermöglichen, die Qualität der Schule an ausserschulischen Bereichen
zu prüfen. Das leisten die internationalen Vergleiche nicht. Nimmt man
den Übergang zwischen Schule und Beruf als ein Kriterium, um die Qualität
schulischer Ausbildung zu belegen, so stellt man fest, dass die bei Pisa so
gut beurteilten Finnen eine Jugendarbeitslosigkeit von 23% haben und damit
eine noch höhere als Schweden aufweisen. In dem so krititsierten deutschen
System liegt trotz hoher allgmeiner Arbeitslosigkeit die Jugendarbeitslosigeit
bei etw 9%, Österreich, mit einem ähnlichem dualen Ausbidlungssysem
steht noch besser da als Deutschland.
Aber mit der ersten PISA-Studie der OECD war die Diskussion über Bildungspolitik
wieder dort angelangt, wo sie in den 60er Jahren schon einmal war: Bildungspolitik
als Gesellschaftspolitik in demokratischen Gemeinwesen und als Bürgerrecht.
Wiederum wird die Frage gestellt, wie oder ob mit staatlicher Bildungspolitik
unter den Bedingungen eines historisch gewachsenen Schulsystems hohe Qualität
erreicht, stabilisiert und weiterentwickelt werden kann, jenseits von sozialer
oder demographischer Herkunft, aber auch Geschlecht, Religion oder Ethnie.
Der Schwerpunkt liegt damit nicht nur auf Bildungsfragen und Chancengleichheitsperspektiven
der 1960er Jahre sondern dem kulturellen Gesamtverständnis der Bundesrepublik.
Bei der Erklärung der ermittelten Unterschiede im Rahmen der PISA-Studie
sei angemerkt, dass die meisten relevanten, die Ergebnisse bestimmenden Faktoren
pädagogisch beeinflussbare Faktoren sind. Dies bedeutet, dass die Ergebnisse
auch immer einen Bezug enthalten auf durch Schule erbrachte oder nicht erbrachte
Fördermassnahmen. Die Ergebnisse machen z.T. deutlich dass es einen Zusammenhang
zwischen einem dominanten, die Bildungspolitik steuernden kulturellen Selbstverständnis
und Sozialstruktur, Bildungsinvestionen, Schulstruktur, Lernhaltungen und
Lernergebnissen gibt. Im Gegensatz zu den 60er Jahren wo bildungsökonomische
Abhängigkeit zwischen Wirtschaftswachstum und internationaler Konkurrenzfähigkeit
von öffentlichen Bildungsinvestitionen hergestellt werden konnte, ist
nunmehr eine langjährige zielbewußte Unterfinanzierung des gesamten
öffentlichen Bildungssystems festzustellen.
Betrachtet man die Ergebnisse aber genauer, so kann man auch zu einer anderen als der 'offiziellen' Deutung kommen: In allen relevanten Bereichen ist die Bundesrepublik in den vorderen Kategorien zu finden, im Zusammenhang mit den 'kapitalistischen' Hauptländern, trotz des eigentlich schlechten Abschneidens. Weshalb also die Aufregung? Vielleicht ist ja die dadurch sichtbar gemachte innere Polarisierung der Bevölkerung in Bildungsfragen gerade eine Voraussetzung für dieses Ergebnis. Wieso sich um Migranten-und andere bildungsferne Schichten bemühen, wenn die vorhandenen Einrichtungen funktionsfähige Strukturen und Mechanismen bereitstellen, die für die Heranbildung und (Nach)Qualifizierung der notwendigen Eliten ausreichen? Wieso soll es von Bedeutung sein, welches Niveau breit angelegte zeitgemässe Alphabetisierung es den Menschen erlaubt, nur in eingeschränkten Fällen, dort wo sie es sich aufgrund von Einkommen auch leisten können ,aktiv an gesellschaftlichen Prozessen teilzunehmen? Es ist ja nicht so, um das Beispiel USA zu bemühen, dass die ökonomische, soziale und kulturelle Benachteiligung großer Bevölkerungsgruppen ein revolutionäres oder subversives Element mit sich bringt. Es gibt auch in der Bundesrepublik Beispiele, dass sich Bildungsinfrastruktur vom öffentlichen Sektor 'abkoppelt', wie z. B. bei der Bundeswehr, die diejenigen, die sie benötigt mit Bildung 'versorgt', welche in der Armee benötigt wird um vor allem auch weltweit handeln zu können/einsatzbereit zu sein. Die 68er Bewegung barg die Idee eines 'Bürgerrechts auf Bildung', eine auf kontinuierlichen Wandel bezogene, äußere wie innere Reform von Schule. Aber hierfür gab es in den 20 Jahren von 1970 bis 1990 keine Anzeichen. Hier kommt dann häufig die Teilhabe-Chancengerechtigkeit ins Spiel.
Recht haben und Recht bekommen sind nach wie vor eine gültige Binsenweisheit.
Die klassische Form der Gerechtigkeit bedeutet zunächst “jedem
das Seine” zukommenzulassen, bei der Verteilung von Beute, etc. oder
gesellschaftlichem Reichtum. In diesem Zusammenhag stellt sich dann die Frage,
welche Stellung/Position welcher Mensch innerhalb der gesellschaftlichen Ordnung
legitimerweise eigentlich einnehmen soll/darf, aufgrund seiner Abstammung,
seines Handelns, oder weil er es 'verdient' hat. Die Schwierigkeit dieser
klassischen philosophischen Gerechtigkeitsfindung liegt darin, dass sie nicht
nur Ungleichheit begründen muss, sondern Herrschaftsverhältnisse
damit einhergehen. Die Beachtung realer Merkmale wie, ist der Chef zu Recht
Chef, der Baron zu Recht Baron und der Angestellte zu Recht drei Stufen niedriger
einzuordnen, läuft auf ein In-Frage-Stellen der bestehenden Ordnung hinaus.
Sie zu stellen heißt bereits sie zu verneinen, denn es gibt kein überzeugendes
Unterscheidungskriterium.
Theoretisch kann jeder für die gleiche Menge Geldes die gleichen Waren
kaufen. Woher das Geld kommt, wird ausgeklammert, es sei denn, ein anderer
Privateigentümer kann belegen, dass es zu Recht sein Eigentum ist. Menschen,
die wenig oder kein Geld haben, können vor diesem Hintergrund keinen
'gerechten' Anteil erwarten, oder um es mit Kant zu sagen, selig sind die
Besitzenden.
In der Warenwelt verbietet sich die Frage nach dem 'gerechten' Preis von selbst,
es sei denn, man kann erklären oder nachweisen, dass der ausgewiesene
Preis nicht ordnungsgemäss zustande gekommen ist, z.B. durch Preisabsprache.
Hier kommt dann die Zwanghaftigkeit des Marktes hinzu: Da die meisten Mitglieder
der Gesellschaft gezwungen sind das Lebensnotwendige zu kaufen, müssen
sie eben auch ihre eigene Arbeitskraft zum Kauf anbieten, um die erforderlichen
Geldmittel zu erwerben, weil sie das Lebensnotwendige ohne 'Markt' nicht aus
eigenen Bedarf decken können.
Üblicherweise gelangt man mit der traditionellen Fragestellung der Verteilungsgerechtigkeit
an die damit verbundene Zuweisung eines Platzes in der gesellschaftlichen
Hierarchie. In der modernen bürgerlichen Gesellschaft tritt an diese
Stelle die Frage nach dem legitimen Ursprung der individuellen oder gemeinschaftlichen
Aneignung von Privateigentum bzw. nach den Voraussetzungen und den Grenzen
dieser Aneignung.
Die Forderung nach sozialer Gerechtigkeit lief darauf hinaus, das Risiko
absoluter Verarmung zu verringern. Außerdem ging es um die regelmäßige
Erfüllung der Forderungen lohnabhängiger Leistungsträger nach
'gutem Lohn für gute Arbeit', ohne dass die grundlegenden Hierarchien
der Gesellschaft als solche thematisiert werden mußten.
Sozialversicherungssysteme unterschiedlicher Art und eine Zulassung gewerkschaftlicher
Organisierung bildeten die offiziellen Grundlinien dieser Strategien der sozialen
Gerechtigkeit von konservativer Seite Ende des 19. Jahrhunderts. Ihre impliziten
Voraussetzungen bildeten die Durchsetzung der lohnabhängigen Kleinfamilie
mit Hausfrauen-Ehe auf der Grundlage einer hierarchischen Arbeitsteilung (die
dann im Tarifsystem dem “Ernährerlohn” entsprach) und eine
einschneidende Hierarchisierung der Austauschverhätlnisse auf dem Weltmarkt.
Die voranschreitende internationale Arbeitsteilung in den 1980er Jahren machte
die Kategorie der sozialen Gerechtigkeit zum Instrument kritischer Analysen
und Forderungen.
Eine andere Art von Gerechtigkeitstheorie wurde von John Rawls entwickelt.
Eine unter Marktregulierungsbedingungen fortwährenden (immanenten) Diskussion
der Gerechtigkeit von Verteilungen und Situationen mit einer Art 'Gerechtigkeit
per Gnadenwahl' unter Umgehung eines ökonomischen Diskurses. Rawls akzeptiert
die bestendenden Eigentumsverhältnisse; so vermeidet er auch die Beantwortung
von Fragen wie “müssen Investmentbanker und Manager wirklich Millionen
verdienen” und die über den Markt vermittelte erweiterte Reproduktion
ökonomischer Herrschaft. Er verknüpft eine 'Minimalgerechtigkeit'
und damit auch eine Minimalkritik an Ausschlusskriterien für alle diejenigen,
die aus den Marktprozessen herausfallen, mit der Kategorie der 'Leistungsgerechtigkeit'
der kapitalistischen Produktionsweise, die er mit einem Neidverbot ! belegt.
Dies ist eine Art Masterplan für das Stimulieren von Auseinandersetzung
innerhalb der verschiedenen Kategorien abhängig Beschäftigter unter
Ausklammerung von Kritik an der Herrschaftsposition.
Es existiert eine bunte Mischung von Gerechtigkeitsbegriffen wie Generationensgerechtigkeit,
[ Problem: welche konkreten Altersgruppen sind damit gemeint, und sind die
dann in sich heterogen und haben die gleichen Interessen oder sind da Unterschiede
in den Altersgruppen?]. Hierbei geraten die richtige Annahme, dass wir Dinge
benötigen, die über unsere unmittelbare Reproduktion hinausgehen
(Rohstoffe, gesunde Umwelt ) mit subtilen Vorwürfen, dass die Alten (Älteren,
wie alt sind die, alle ab 55 Jahre?) den Jungen etwas wegnehmen, in einen
Disput. Oder aber die Anhäufung einer horrenden Staatsverschuldung –
die ja nicht durch den einzelnen Bürger verusacht wird, sondern die Gesellschaft
in ihrer Gesamtheit , zu der dann ja auch Politiker gehören, die um eine
Wahl zu gewinnen, ökonomisch heikle Dinge versprechen [müssen].
Bei Rawls findet der Begriff der 'sozialen Gerechtigkeit' so keinen Niederschlag
sondern kommt in der Zusammensetzung von 'Minimalgerechtigkeit' und Leistungsgerechtigkeit'
vor. Die Frage nach der sozialen Gerechtigkeit kann auch dann nicht genau
beantwortet werden, wenn damit nach der Berechtigung der ursprünglichen
Verteilung von Freiheit gefragt wird, d.h. eine Freiheit von marktvermittelter
Herrschaft.
Im Rahmen der CDU-Programmdiskussion war es sehr aufschlußreich, dass
die Vorsitzende, Bundeskanzlerin Merkel, in ihrer Grundsatzrede betonte, “Freiheit,
Gerechtigkeit und Solidarität - das sind unsere drei Grundwerte, und
für mich gibt es keine Hierarchie unter diesen Grundwerten. Sie bedingen
einander.” Andere in ihrer Partei sehen ein nicht ganz so hierarchiefreies
Verhältnis dieser Begriffe zueinander.
Ein Grund, warum die Vorsitzende diese Gleichheit so betont, mag die beginnende
Programmdebatte beim Koalitionspartner sein. Anstatt die in ihrer Partei diskutierte
Wertehierarchie näher zu erläutern, wird einfach gesagt “alles
gleich “ um eine Werteordnung nicht erstellen zu müssen. Angesichts
der vielfältigen Probleme sollte allerdings bei beiden Koalitionspartnern
Schluss mit Unverbindlichkeiten sein. Es ist noch nicht allzulange her, dass
die CDU der Freiheit eine herausgehobene Position zuwies. Da ging es dann
um 'Freiheit in Verantwortung' und auch der Gerechtigkeitsbegriff beruhte
auf dem Grundsatz der Freiheit. Die drei Werte haben eine Wechselwirkung,
benötigen aber einen Basispunkt, und das war die Freiheit – in
Verantwortung. Eine freie Gesellschaft sollte niemanden bei seinen Freiheitsrechten
diskriminieren. Es sollte allso um eine faire Teilhabe, d.h. Partizipationsgerechtigkeit
für alle Mitglieder der Gesellschaft gehen. Hierzu benötigt man
ein effektives Bildungssystem. Eine beliebige Reihenfolge dieser Werte ist
schon deswegen unpraktisch, weil sie verhindert, dass Handlungsprioritäten
gesetzt werden.
Hier ist es dann interessant, dass der neue SPD-Vorsitzende Kurt Beck richtig erkannt hat, dass die beim Programmparteitag am 24.04.06 in Berlin vorgestellte Formulierung des 'vorsorgenden Sozialstaats' nicht besonders belastbar ist. Drastisch formuliert, erinnert der Begriff eher an eine eierlegende Wollmilchsau indem er sozusagen für alle Lebensunbill die richtige Medizin bereit hält. Denn Vorsorgen verbindet sich allgemein gleich mit einer Rund-um-Sicherheit, die, vorausschauend, nur der gewährleisten kann, der die Probleme im vorhinein (er-)kennt. Das hat aber zunehmend mit Wahrsagerei zu tun und gehört deshalb in den Bereich der Esoterik, nicht in die Politik. Die Konzentration auf Wahrsagerei führt zur Unbeweglichkeit wenn es gilt, das Unvorhersehbare einzuschätzen und zu beherrschen. Es ist daher sinnvoll, wenn Kurt Beck nun auch stärker die Leistungsträger der Gesellschaft ansprechen möchte. Dafür den Begriff der gerechten Leistungsgesellschaft zu wählen, bietet aber nur unnötige Angriffsflächen. Wieso es nicht den anderen nachmachen? Wenn die einen eine 'neue soziale Markwirtschaft' ausrufen, kann die SPD doch eine 'fortschrittliche Leistungsgesellschaft' anstreben. Dies bietet den Vorteil, dass der direkte 'Un'Dreiklang wie in unsolidarisch, unsozial, ungerecht entfällt. Die Herausforderung besteht dann darin, eine Ausgestaltung des Begriffs zu finden, die nicht den Vorwurf des Rückschritts beinhaltet. Die Formulierung bietet darüberhinaus die Option, neue Definitionen des genannten 'Dreiklang' unterzubringen, d.h. nicht nur Politikangebote an Leistungsträger, sondern auch die Einbeziehung der gesellschaftlich Benachteiligten. Der Begriff des 'Sozialstaats' sollte angesichts der gegenwärtigen Entwicklungen ebenfalls als unpassend gelten. Weshalb? Hierzu eine kleine Erinnerung.
Die Idee des sich um die 'Wohlfahrt' seiner /Bürger/Untertanen kümmernden/besorgten
Staates bzw. Gemeinwesens kann bis zu Aristoteles zurückverfolgt werden.
Dieser forderte, dass die 'Polis' (Staat und Gemeinschaft der Griechen) um
die “Eudämonie “ (Glückseligkeit) der Familien und Polis
Bürger sich besorgt zeigen müßten.
Spätestens mit Beginn der großen Rezession im Sommer 1974 wurde
deutlich, worauf das System der sozialen Sicherheit und die Garantien des
“Wohlfarhrstaates” beruhn: auf den Leistungen des ökonomischen
Systems; auf geringer Arbeitslosigkeit und einer nicht zu stark schrumpfenden
Erwerbsquote. Der Ausbau der Daseinsvorsorge hatte zu einer neuen Einstellung
des Bürgers zum Staat geführt. Weil die ökonomische Basis die
Quantität und Qualität der langfristig angelegten Leistungen der
sozialen Sicherheit gefährdeten, setzten bereits im Sommer 1975 Überlegungen
vor allem seitens der CDU ein, wie verschiedene Leistungen eingeschränkt
oder sogar rückgängig gemacht werden könnten. Es kam seitens
der SPD das Schlagwort von der 'sozialen Demontage' auf, was sogleich ungute
Erinnerungen an die 'materielle Demontage' nach dem Ende des 2.Weltkriges
wachrief, als die Allierten bis in 1951 deutsche Fabrikanlagen abbauten, um
auf diese Weise Reparationsleistunen zu erlangen und den Wiederaufstieg der
deutschen Industrie zu erschweren.
Dieser kurze Einschub sollte verdeutlichen, dass das System der sozialen
Sicherheit mit dem Legitimationsproblem des Staates in hochentwickelten westlichen
Industrienationen ebenso fest verknüpft ist wie mit den Leistungen des
ökonomischen Systems. Es hat direkte und indirekte Auswirkungen auf die
Familienstruktur und das Familienbudget – durch den Umfang der Daseinsvorsorge,
die vom Famlienverbund auf (staatliche) Institutionen übertragen werden.
Darüberhinaus beeinflußt es grundlegende Wertehaltungen und Daseinsorientierungen;
das Leistungsstreben, die Vorstellungen von sozialer Gerechtigkeit, die Sorge
um Familienangehörige und über die Gestaltung des Lebensabends.
Es entstanden gesellschaftliche, soziale Gruppen – nicht nur entlang
der für den Hochkapitalismus typischen Klassen/sozialen Gliederungen,
die Auseinandersetzung nicht in 'Lohnarbeit und Kapital' (Marx) sondern Konflikte
um Zuteilung öffentlicher Leistungen sahen. Es begann ein Trend sozialgruppenspezifischer
Problemlagen in sozialpolitische Bedeutungsfragen umzuformulieren. Bereits
1965 hatte Viola von Bethusy-Huc von einer 'Diktatur des bürokratischen
Apparats der sozialen Sicherheit' geschrieben (S.220ff,249ff). Sie stellte
ausserdem fest, dass die “...mangelnde Anpassung der sozialen Leistung
an die tatsächlichen Bedürfnisse die Folge (habe), daß statt
dessen die Anpassung der Bedürfnisse an die vorgesehene Leistung erfolgt”
(S.223).[Bethusy-Huc, Viola von, Das Sozialleistungssystem der Bundesrepublik
Deutschland, Tübingen 1965] Anfang 1975 hatte Helmut Schelsky in seinem
umstrittenen Buch “Die Arbeit tun die anderen. Klassenkampf und Priesterherrschaft
der Intellektuellen, Opladen, “ darauf hingewiesen. Die Gruppe der “Lehrenden
und Informierenden” habe sich dadurch eine “neue Form der Herrschaft”
(Schelsky) geschaffen, dass sie alle individuellen Probleme und bloße
Befindlichkeiten in solche der “Belehrung, Betreuung und Beplanung”
umdefiniere (S. 367ff) Dieser “quartäre Berufssektor” (Schelsky)
diese “in jedes Lebensgebiet und in jede berufliche Tätigkeit”
eindringende Gruppe habe zu einer “heilsgläubigen Sozialregion”
und zu neuen Formen der verbürokratisierten Abhängigkeit geführt.
Die neue Form des 'Untertanen' sei der 'betreute Mensch'.
Vieles an der Kritik von Schelsky mag überzeichnet sein und Lösungswege
der 'alten' bzw. 'neuen sozialen Frage nicht ersichtlich: zuzustimmen ist
ihm in dem Punkt, dass die verbürokratisierte Ausweisung des Sozialstaats
der “westlichen Lösung” (Schelsky) weder gegenwärtig
noch zukünftig “politische oder wirtschaftliche Notstände
verhindern kann.”(S. 376) Natürlich weiss jeder Kritiker der Verbürokratisierung
des öffentlichen Lebens wie des Systems der Sozialen Sicherheit, dass
wir der Bürokratie als dem “neuen Gehäuse der Hörigkeit”
(Max Weber) nicht entrinnen können.
Bereits damals war aber berechtigt zu fragen:
- Ist die Ausweitung der Bürokratie, zumal im Bereich der sozialen Sicherheit,
sachlichen Notwendigkeiten oder dem zunehmenden Zentralismus und Einflussstreben
der Parteien des Staates und der “Lehrenden und Informierenden”geschuldet?
- Sollten nicht anstelle der sozialstaatliche-bürokratischen Daseinsvorsorge nicht die gesellschaftlichen Institutionen und Primärgruppen (Nachbarschaft, Kommunen, Gemeinden, Arbeitsbereich, Familie) wieder stärker ins Spiel gebracht werden?
Sicherheit im Rahmen herkömmlicher Sozialpolitik ist also an ihre Grenzen gestossen, doch stattdessen nun die Prioritäten stärker auf eine Verbesserung der Bildungs-und Sozialisationsleistungen zu richten, greift aber auch zu kurz. Das System der sozialen Sicherheit hatte bereits damals einen solchen Stellenwert erreicht, dass vom entwickelten Sozialstaat der Industriegesellschaft die grundlegende Differenzierung ihre Sozialstruktur ergaben.
Will man bestimmte Veränderungsprozesse erklären, lohnt ein genauerer
Blick auf wirtschaftliche Zusammenhänge.Während der Fußballweltmeisterschaft
wurden nicht nur die Eckpunkte der Gesundheitsreform festgelegt, sondern die
Kanzlerin überraschte die Bürger auch mit der Mitteilung, Deutschland
sei ein Sanierungsfall. Was in dem anschließenden Wortklingel der Medien
keine Erwähnung fand, war eine frühere Erwähnung dieses Begriffs.
Den hatte ein Manager der Autoindustrie geprägt, um zu verdeutlichen,
wie drastisch der Reformbedarf der betreffenden Firma sei. Es war Wolfgang
Bernhard, als er noch bei Chrysler war und eigentlich die Mercedes Car Group
übernehmen sollte. Der Ausgang ist bekannt: Bernhard versucht heute unter
noch schwierigeren Bedingungen, die Volumenmarke Volkswagen wieder auf einen
erfolgversprechenden Kurs zu bringen.
In vielen deutschen Großunternehmen gelten mittlerweile andere Regeln
als noch zu Zeiten des rheinischen Kapitalismus. Seinerzeit wurden Probleme
unspektakulär gelöst oder einfach vertagt (so z.B. Bei Karstadt-Quelle).
Mit der Übernahme von Verantwortung durch Manager, die ihre Karrieren
in den U.S.A. gestartet haben, sind eindeutig Zeichen aufgetaucht, die der
harte internationale Wettbewerb diktiert. Bei Siemens ist es Klaus Kleinfeld,
der, kaum im Amt, einfacht die defizitäre Mobilfunksparte verschenkte.
Ebenso gilt für Geschäftsfelder, die dauerhaft Verluste machen oder
die internen Zielmarken ständig verfehlen, dass sie keine Zukunft bei
Siemens haben. Mittlerweile ist der ehemalige Partner von Bernhard, Dieter
Zetsche, neuer Vorstandschef bei Daimnler-Chrysler und sieht sich ähnlichen
Aufgaben gegenüber.
Alle drei eint z. Zt., dass sie mit Problemen aus der Vergangenheit zu kämpfen
haben. So machte Chrysler in diesem Jahr erneut grossen Verlust. Kleinfeld
muss sich neben Kritik an der Erhöhung der Vorstandsgehälter vor
allem auch Vorwürfe bezüglich der mittlerweile insolventen Mobilfunksparte
BenQ gefallen lassen. Trotz aller Managementfehler, die hier vermutlich zu
beklagen sind, können aber auch ein paar Tatsachen nicht ignoriert werden:
Im August 2006 übertraf die Anzahl von Mobilfunkgeräten zum ersten
Mal die Bevölkerungszahl in der Bundesrepublik. Der Kauf von Geräten
ist leicht rückläufig. Wenn also nur die Hochpreisgeräte von
Nokia und Motorola hier mit Gewinn produziert werden können, dann hätte
vermutlich eine Umstellung bei Siemens auf ein derartiges Produkt auch viele
Arbeitsplätze gekostet.
Bei der Sanierung von VW ist es ähnlich: Eigentliches Ziel ist die Rückkehr
zur 35-Stundenwoche. Mit der IG Metall wurde aber ein schlechter Kompromiss
geschlossen. Der Hinweis auf Audi überzeugt nicht. Audie ist eine Premiummarke,
die eindeutig höhere Rendite abwirft, im Gegensatz zu Produkten von Volkswagen.
Aber nur wer mehr verdient, kann seinen Beschäftigten auf Dauer einen
höheren Lohn zahlen. VW produziert also immer noch zu teuer, eine dauerhafte
Wettbewerbsfähigkeit ist nicht gesichert; wieder einmal gewann das alte
'Modell VW'; der Vorstand vermied eine Konfrontation mit Gewerkschaft und
Beriebsrat. Für letztere ist das höchstwahrscheinlich ein Pyrrhussieg:
In wenigen Jahren werden erneut Zugeständnisse erforderlich sein, den
der Glaube der Gewerkschaft, VW könne sich von scharfen Marktbedingungen
abkoppeln, wird sich als Irrglaube erweisen.
Zwei andere Beispiele seien noch erwähnt: Der Umbau des Allianz-Konzerns
zu einer 'Europa-AG' (SA) und die Übernahme des britischen Konkurrenten
BOC durch Linde. Alle diese Beispiele eint der mangelnde Einfluss der nationalen
Politik auf die Geschehnisse. Der Bedeutungsverfall der Nationalstaatlichkeit
für die Ökonomie der transnationalen Finanzmärkte, Banken und
Konzerne geht einher mit dem schulischen.
Es ist wichtig eine Analyse der Dynamik des Arbeitsmarktes sowie der politischen Verhältnisse zu machen. Auch eine Antwort auf die Frage, welche Möglichkeiten das Bildungswesen heute habe und bisher hatte, um zur Bekämpfung gesellschaftlicher Ungleichheiten beizutragen, bleibt eher theoretisch, wenn das Verhältnis zwischen Bildungswesen und politisch-ökonomischen System nicht in die Beurteilung miteinbezogen wird. Die Veränderungen der qualitativen Struktur der Arbeitsplätze sind eine Folge wirtschaftlicher und technologisch-organisatorischer Entwicklungen. Die wirtschaftliche Umstrukturierung der achtziger Jahre hat zu einem Abbau vor allem von Arbeitsplätzen mit niedrigen Qualifikationsanforderungen in der Industrie geführt. Gleichzeitig ist die Zahl der Arbeitsplätze im Dienstleistungsbereich gestiegen, obwohl der Umfang der nichtkommerziellen Dienstleistungen als Folge von Sparmassnahmen der Regierung nahezu gleich geblieben ist. Technolgisch-organisatorische Entwicklungen, die Einfluss auf die qualitative Struktur der Arbeitsplätze hatten, sind vor allem Automatisierung und Flexibilisierung. Durch Automatisierung ist ein Grossteil der einfachen Hand-und Büroarbeit verschwunden. Die Folgen für die restlichen Aufgaben sind auch davon abhängig, wie das Management die Arbeitsorganisation einrichtet.
Das Bildungswesen/system kann einerseits als eine Antwort auf die wirtschaflichen Bedürfnisse des modernen Kapitalismus verstanden werden. Es sorgt für die Qualifikationen, die der Arbeitsmarkt fordert, und sozialisiert Individuen zum Arbeiten. Andererseits hat die Entwicklung des Bildungswesens im 20. Jahrhundert zur Persönlichkeitsentwicklung und gesellschaftlichen Partizipation der Bürger beigetragen. Wie das Bildungswesen diese verschieden Funktionen erfüllt, kann nicht unabhängig von den gesellschaftlichen Verhältnissen selbst betrachtet werden. Dass es dem Bildungswesen nicht gelungen ist, soziale Ungleichheit aufzuheben, hängt zum einem mit unseren mangelhaften Kenntnissen über die Mechanismen dieser Erscheinung zusammen. Es ist aber auch mit der Feststellung verbunden, dass der gesellschaftliche Einfluss der sozialen Bewegungen, die eine Emanzipation anstreben, zu gering gewesen ist.
Neben den technologisch-organisatorischen Entwicklungen, die Folgen für
die Qualität der Arbeit haben, sind auch Entwicklungen hinsichtlich der
Bezahlung, der Sicherheit der Arbeitsplätze und der Schulungs-und Aufstiegsmöglichkeiten
bedeutsam. Der Kern von Arbeit in Unternehmen umfaßt hochqualifizierte
Stellen, die eine höhere Ausbildung erfordern, die weitere Ausbildungs-
und Aufstiegsmöglichkeiten bieten, mit einer hohen Sicherheit der Arbeitsplätze
und einer guten Bezahlung. Um diesen Kern existiert eine Peripherie von Stellen
mit niedrigen Qualifikationsanforderungen, die eine begrenzte Ausbildung und
Schulung erfordern, die wenige Ausbildungs- und Aufstiegsmöglichkeiten
bieten und durch relativ geringe Sicherheit der Arbeitspätze und niedrige
Bezahlung charakterisiert sind.
Die geschilderten Veränderungen implizierten Folgen für die Art
und Weise, in der das Bildungswesen seine Funktionen für den Arbeitsmarkt
erfüllt. Eine dieser Funktionen ist die Qualifizierungsfunktion. Qualifizierungen
werden hier als die Gesamtheit von Kenntnissen, Haltungen und Fähigkeiten
betrachtet, die eine Person in die Lage versetzen, eine bestimmte Funktion
zu erfüllen. Die spezifischen Qualifizierungen, die für eine bestimmte
Funktion erforderlich sind, werden vom Arbeitgeber durchweg als Selektionskriterien
verwendet. Dieses Selektionsprinzip funktioniert jedoch nur mäßig,
wie sich aus dem Auftreten von Überqualifizierung und Verdrängung
zeigt.
Bereits vor einiger Zeit deutete sich ein tarifpolitischer Umbruch bei der
Deutschen Lufthansa an, als sich zunächst die Piloten von Verdi lossagten.
Ihnen folgte das Kabinen- und Bodenpersonal mit einer eigenen Gewerkschaft.
Die Wahlkämpfe im Gesundheitswesen des Jahres 2006 machten weitere Verschiebungen
in der Tariflandschaft deutlich, die auch Auswirkungen (Parallelen) auf den
Bildungsbereich erkennen lassen und bei der Debatte um den Mindestlohn nicht
außer Acht gelassen werden können.
Die Ärzte sagten sich von etablierten Branchengewerkschaften los. Sie
nutzen so besondere Schlüsselfunktionen ihrer Mitglieder in der Arbeitswelt
um höhere Löhne durchzusetzen. Damit kündigten sie die Solidarität
mit den anderen Mitgliedern der Branchengewerkschaften.
Für die Großgewerkschaft Verdi ist dies dramatisch: In den 70er
Jahren erkämpften die Müllwerker auf Basis des Flächentarifs
für den öffentlichen Dienst aufgrund ihrer damaligen Machtstellung
satte Zuwächse, die auch für Verwaltungsangestellte und Klinikärzte
galten. Heute sind die Müllwerker durch Privatisierungen auf ein Minimum
reduziert, Ärzte allerdings streiken heute nicht im umgekehrten Fall
für sie mit.
Vermutlich wäre es der alten ÖTV auch nicht besser ergangen, ebensowenig
der DAG, da auch sie eine Solidarität verkörperten, die nun aufgekündigt
wird. Branchengewerkschaften können in ihren jeweiligen Bereichen heute
sicherliche so handeln, wie es der Marburger Bund vormacht, allerdings würde
letztendlich die Tariflandschaft weiter gespalten und nicht geeint, wenn,
wie Union und SPD argumentieren, nur noch der Wille der Vertragspartner entscheiden
solle. Wird ein Tarifvertrag für allgemein verbindlich erklärt wird,
geht das zu Lasten jener Betriebe einer Branche, die denTarifpartnern gar
kein Mandat geben wollten. Letztendlich läuft es auf eine Aufhebung des
Tarifausschuss der Dachverbände von Arbeitgebern und Gewerkschaften hinaus,
wenn wie beim Bau und Gebäudereinigerhandwerk ein Antrag aus der Branche
genügen soll, damit der Arbeitsminister die Allgemeinverbindlichkeit
erklärt. So werden Ausnahmen zur Regel.
Wenn also Berufsverbände das auf kollektiven Interessensausgleich zugeschnittene
Tarifsystem 'ersetzen', ist es sinnvoll die Macht der Tarifparteien als Ganzes
zu begrenzen, zu Gunsten der Vertragsfreiheit der einzelnen Arbeitnehmer.
Um die Problematik zu verdeutlichen: Wer Arbeitslosengeld bekommt, hat vorher
meistens formale Qualifikationen erworben und Berufserfahrungen gesammelt.
Nun wünscht sie/er sich eine neue Aufgabe, in der diese Qualitäten
honoriert werden, früher erwartete man sogar den beruflichen Aufstieg
– siehe oben, zumindest aber erwartet der Suchende neue Herausforderungen.
In den Augen des Arbeitgebers schwinden jedoch die Qualifikationen des Bewerbers,
je länger die Stellensuche dauert. Dadurch werden allzuhohe Erwartungen
an eine neue Tätigkeit zur Illusion.
Am anderen Ende der Skala sind ALGII und Sozialhilfeempfänger. Sie sind
entweder vorübergehend am Arbeitsmarkt benachteiligt, etwa als Alleinerziehende,
oder dauerhauft, etwa durch Krankheit oder fehlende Qualifikation. Sie stellen
aber besondere Ansprüche wie familienverträgliche Arbeitszeiten
oder besondere Rücksichtnahme auf gesundheitliche Benachteiligung. Arbeitgeber
trauen dieser Gruppe besonders wenig zu und sind nicht bereit ihr entgegenzukommen.
Diese Unvereinbarkeiten in den wechselseitigen Erwartungen führen dazu,
dass die Betroffenen nach unten 'durchgereicht' werden, bis der geforderte
und der angebotene Lohn zur Übereinstimmung gekommen sind. Sozialhilfe-
und Lohnersatzleistungen mindern den Druck auf die Arbeitslosen sich auf diesen
Prozess einzulassen. Wenn nach Ansicht einiger, vor allem aus Politik und
Wirtschaft, diese Stützfunktion des Sozialleistungssystems zu üppig
in Anspruch genommen wird, greift man zu einer Art kompensatorischem Hilfsmittel
um zu einer Übereinstimmung von Erwartung und Angebot zu kommen. So sind
im Arbeitsförderungsgesetz bereits in den achtziger Jahren die Regeln
dafür, welche Tätigkeiten einem Arbeitslosen zuzumuten sind, verschärft
worden. Gleichzeitig werden im Sozialhilferecht zunehmend Arbeitsdienste als
Druckmittel eingesetzt.
Selbstverständlich entsteht durch Arbeitspflichten für Arbeitslose
noch keine einzige neue Tätigkeit, es sei denn, man nimmt an, nur auf
diese Weise könnten dann Tätigkeiten ausgeführt werden, für
die sich angesichts der gebotene Entlohnung, mit vielleicht vorhandener guter
Qualifikation und der herrschenden Arbeitsbedingungen freiwillig niemand fände.
Wenn diese Annahme zutrifft, interveniert der Staat mit seinen kompensatorischen
Anpassungsanforderungen (Zumutbarkeit beziehungsweise Arbeitsdienste) in einem
Arbeitsmarkt, der unter anderem durch niedrige Lohnsätze und hohen Kündigungsschutz
nicht in der Lage ist, den Arbeitsplatzbesitzern diese Zumutungen abzuverlangen.
Am Übergang vom Arbeitsmarkt- zum Sozialsystem werden neben Allokationsfragen
immer auch Verteilungsfragen berührt. Der verengte Blick auf Anreize
zur Aufnahme von Arbeit übersieht jedoch, dass mit Zumutungen stets auch
Chancen verteilt werden. Arbeitspflichten in Zeiten der Arbeitslosigkeit genauer:
eines unzureichendne Angebots an Stellen – beseitigen nicht die Ursachen
des Problems. Wer solche Pflichten fordert, übersieht, dass Erwerbsarbeit
neben der gesellschaftlichen Produktivität auch auf individuelle Erwartungen
zu reagieren hat.
Eine Gesellschaft aber , die glaubt, sich Arbeitslosigkeit leisten zu können,sollte
ihre Solidarität auch in angespannter Finanzlage nicht denjenigen verweigern,
die ihre Erwartungen an einen angemessenen Arbeitsplatz nicht um jeden Preis
aufzugeben bereit sind.
Ursprünglich steht der Begriff der konzertierten Aktion für die
Verpflichtung der Bundesregierung zur Aufstellung von Orientierungsdaten für
ein gleichzeitiges, aufeinander abgestimmtes Verhalten (Konzertierte Aktion!)
der Gebietskörperschaften, Gewerkschaften und Unternehmensverbände
zur Wahrung der Ziel im Rahmen des Stabilitätsgesetztes (Gesetz zur Förderung
der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft), welches als das wichtigste
Instrument zur antizyklischen Beeinflussung der Nachfrage durch Bindungen
und Maßnahmen der Finanz-, Haushalts- und Steuerpolitik galt. Dieses
Instrument wurde sehr aktualisiert und popularisiert unter dem einstigen Wirtschafts
-und Finanzminister Karl Schiller (SPD), der es während der Rezession
1966/67 als fiskal-politisches Instrumentarium entwickelte und damit das Stabilitätsgesetz
durchsetzen half. Aber die 'antizyklische Globalsteuerung' geriet schnell
an ihre Grenzen – als erstes in der 'konzertierten Aktion'. Mit dieser
Gesprächsrunde wollte Schiller Gewerkschaften und Arbeitgeber in die
Konjuntur politik einbinden. Die Vorstellung, dass die Regierung in Aufschwungphasen
Rücklagen für schlechte Zeiten bildet, erweist sich als illusorisch.
Der Staat reagiert auf Konjunkturschwankungen generell zu spät antizyklisch
gedachte Politik wird in der Realität prozyklisch.
Mangelnder politischer Mut bei der Umsetzung von Reformen ist ein Dauerthema.
(Einesehr gute Darstellung findet kann man nachlesen in einem Artikel von
Werner A. Perger “Lohn der Kühnheit”, Die Zeit Nr. 2, 31.12.03)
Da macht die Bildungspolitik keine Ausnahme.
Eine andere Bildungspolitik müßte den Anspruch haben, besonders
im Innern völlig neue Strukturen für Lernprozesse und für die
Generierung von Inhalten zu schaffen. Wie so etwas gemacht wird im Bereich
Hochschulen, läßt sich sehr gut bei Friedman nachlesen. Er beschreibt
die Veränderungsprozesse von Curricula an der Georgia Tech sehr ausführlich.
(Friedman S. 310ff) Staatliche Bildungspolitik allein wird an den gegebenen
Verhältnissen nichts ändern, es müßte also eigentlich
eine Suche nach Perspektiven der Überwindung des status quo liegen. Hier
ist allerdings eine Bereitschaft zu Konflikten gefordert, die bisher nicht
erkennbar ist. Es ist aber eine große Chance, dass unter den Bedingungen
einer sich stark internationalisierenden Wirtschaft internationale Vergleichstudien
gemacht werden, um die gesellschaftliche Sackgasse der in einem Nationalstaat
existierenden Bildungsverhältnisse sichtbar zu machen.
Deren Legitimation sowie das Ausweichen vor der Analyse erschweren die Ursachenforschung.
Es ist erkennbar, dass es in vielen Nationalstaaten eine spezifische Gleichzeitigkeit
von Oberschicht und Unterschicht gibt; ebenso wie Strukturmerkmale von Zentren
und Peripherien sich finden. Die U.S.A., aber auch Frankreich und England,
sind hierfür Beispiele. Die Bundesrepublik ist, wie die PISA-Studien
zeigen, auf einem Weg dahin. Es bleibt festzustellen, dass Bildungspolitik
Eltern keine Arbeitsplätze verschafft, keine gesellschaftliche Stellung
an sich versprechen kann. Ziel soll aber sein, eine Kultur- und Infrastruktur
bereitzustellen und die Investitionsprinzipien des Staates so umzuleiten,
dass diese besser als bisher allen Bürgern dienen und nicht überwiegend
Priviligierten, Eliten, Hoch- und Höchstbegabten und den für die
Hoheitsaufgaben des Staates wichtigen Gruppen und Institutionen zu Gute kommt.
Stärken stärken, ja, aber was ist mit den weniger Starken?
Nur eine von allen Denkbaren gesellschaftspolitischen Akteuren geleistete
Arbeit/Anstrengung, von der sie auch überzeugt sein müssen, die
das kulturelle und gesellschaftliche Umfeld 'Schule' verbessern, wird sich
zum Nutzen aller Kinder entwickeln.
Hier sind allerdings Zweifel angebracht. Bei einer Veranstaltung zum Thema
'Bildung' im Juni 2005 in Berlin, warf die zuständige Ministerin des
Landes Schleswig-Holstein, Ute Erdsiek-Rave (SPD) die Bemerkung in die Debatte
“Aber die Leute wollen Privilegien”. Diskussionsgegenstand war
die Gemeinschaftsschule versus dreigliedriges Schulsystem. Neuere Meldungen
bestätigen diesen Trend: So soll im November eine exklusive Kita für
Spitzenverdiener in Potsdam entstehen, zum Preis von 980 Euro. (Berliner Zeitung,
19. 07.06) Auch wächst die Anzahl von Schülern in Privatschulen
(Berliner Zeitung 21.08.06) Fazit dieser Entwicklungen: Wohlhabende Eltern
verschaffen ihren Kindern einen Vorsprung, den die wenigsten öffentlichen
Schulen allen anderen bieten können. Nicht zu vergessen: Die “Elternnetzwerke”,
die durch diese Einrichtungen entstehen, sind natürlich auch von Vorteil
für den weitern Lebensweg der Kinder.
Im Rahmen einer anderen internationalen Bildungsveranstaltung fragte ein Teilnehmer
den auf dem Podium sitzenden schwedischen Experten: Wenn in Deutschland 80%
eines Jahrgangs Abitur machen würde, dächte man es sei etwas falsch
mit dem Abitur, wie ist das in Schweden? Ratloses Achselzucken und dann: In
Schweden käme niemand auf die Idee dies so zu betrachten.
Politik hat hier nicht so viele Steuerungsmomente wie sie denkt. Damit es aber nicht so kommt wie bei Wilhelm Buschs Balduin Bählamm: Die Freude flieht auf allen Wegen; Der Ärger kommt uns gern entgegen, folgende Möglichkeiten zur Anregung:
Verbale Abrüstung: Im Verlauf der bereits erwähnten
Veranstaltung zum Thema Lebenslanges Lernen, fielen häufig Begriffe wie
'Sackgassenberufe', 'Splitterberufe'. Das sind herabsetzende Formulierungen
die nahelegen, dass jeder unten anfangen und oben enden solle; das dies nicht
so funktioniert, wurde bereits am Anfang erläutert. Darüberhinaus
ignoriert es aber die Tatsache, dass nicht jeder für hoch/höher
qualifizierte Tätigkeiten geeignet ist oder Karriere machen möchte.
Neben der horizontalen Entwicklung muss auch die Weiterentwicklung auf vertikaler
Ebene möglich sein, d.h., jemand ist heute Eiskremverkäufer und
kann dann in der Systemgastronomie arbeiten. Wichtig ist dass keine arbeitsmarktrechtlichen
Hürden existieren, die einen Wechsel behindern.
Hierunter fällt auch die sofortige Beendigung von Dauerangriffen, Unterstellungen
und anderem auf ALGII Empfänger. Politiker, egal ob aus Kommune, Land
oder Bund, die doch dagegen verstossen, zahlen ein Bußgeld von 10.000
Euro in einen Hilfsfond. Die so gesammelten Gelder werden dem Kinderschutzbund
anvertraut und gehen an die von Armut betroffenen Kinder und ihre Familien.
Sie können so vielleicht auch einmal eine Reise antreten, denn auch Reisen
bildet!
Weniger ist mehr: Abkehr von der staatlichen/parteipolitischen
Illusion, Chancengleichheit und gesellschaftlicher Aufstieg sei durch Bildung
erreichbar. Der Vorsprung der durch die soziale Herkunft mitgegeben wird,
läßt sich allenfalls in homöopathischen Raten bewerkstelligen.
Für den Aufstieg fehlt es in Deutschland weniger an Bildung denn an Perspektiven
auf dem Arbeitsmarkt. Diese z.B. beim Kündigungsschutz anders zu gestalten,
sollte Aufgabe von Politik sein.
Wo Arbeit durch ein Kartell der Tarifpartner vor den notwendigen Anpassungen
geschützt wird, sollten die Folgen dieser Kartellsituation nicht per
Eingriffe in die Sozialeinkommen reguliert werden. Wenn zu den herrschenden
Bedigungen zu wenige Arbeitsplätze bereitgestellt werden, können
solche Interventionen lediglich Verdrängungseffekte zeitigen: Überqualifizierte
verdrängen Minderqualifizierte, und gewerblichen Unternehmen wird von
Dienstverpflichteten, die praktisch ohne Honorar arbeiten, die Luft zum Atmen
genommen.
Aufwertung des Handwerks: Hier sollte überlegt werden,
ob der 'Mikrofinanzfonds Deutschland' der KfW, auch Handwerksbetrieben zur
Verfügung gestellt werden kann. Dieser Mikrofinanzfonds arbeitet wie
ein Garantiefond: Er nimmt erstmals den Banken, die an Existenzgründer
und Jungunternehmer Mikrokredite von bis zu 10.000 Euro mit kurzen Laufzeiten
vergeben, das Kreditausfallrisiko vollständig ab.
Die bisherigen Programme einer energetischen Gebäudesanierung für
Handwerksbetriebe sind laut ZDH Präsident Otto Kenzler bereits ausgebucht
.(Interview in Berliner Zeitung, 28.08.06)
Außerdem gilt es auch auf Leistungswettbewerbe im Handwerk stärker
herauszustellen, die durchaus auch Karrieren ermöglichen, wie z.B. den
'Praktischen Leistungswettbewerb' der Handwerksjugend, der begabte junge Fachkräfte
fördert.(Ruhr-Nachrichten, 15.08.06) Desweiteren das Pilotprojekt im
Rahmen der Berufsorientierung des Rhein-Kreis Neuss zusammen mit Schulamt,
Wirtschaftsförderung und der Stiftung Pro Ausbildung im Jahr 2005/06
das Fach Berufsausbildung in die Lehrpläne der achten Klassen aufzunehmen.www.wirtschaft-pro-schule.de
Aufwertung des Finanzdienstleistungssektors
Da die Auflage von Fonds so kompliziert ist, wurde Luxemburg der Anziehungspunkt.
Die 'Hedge-Fond'-Politik führte dazu, dass diese Firmen nun in England
und der Schweiz residieren. Nun sollen die 'Heuschrecken' auch noch für
eine Verschiebung der Immobilienaktiengesellschaften (Reits) herhalten. Geht
man davon aus, dass der Hochdienstleistungsbereich zunehmen wird, so sollte
die Bundesrepublik hier auch als Anbieter und nicht nur als Durchgangsstraße
auftauchen. Dies ist dann auch ein Betätigungsfeld zukünftiger Hochschulabsolventen.
Pilotstandort Berlin/Brandenburg
Während viele Industriearbeitsplätze in der Region verloren gingen,
gibt es aber, neben den 'creative industries' auch an den Universitäten
der Region viele z.T. internationale Projekte/Kooperationen, die nicht in
die 'Exzellez' Kategorie fallen und trotzdem sicherlich für die wirtschaftliche
Ausstrahlung der Region von Bedeutung sein können.www.fh-lausitz.de
Roi durch die EU:Trozt aller Bemühungen wird es nich möglich sein, allen gut ausgebildeten Menschen auch in der Bundesrepublik einen entsprechende Perspektive in Deutschland zu bieten. Wenn aber immer mehr Menschen ins Ausland abwanderen, sollte der Finanzminister doch einen direkten Beitrag zur Unterstützung des hiesigen Aubildungssystems einfordern.
Um den bereits erwähnten Studentenberg zu bewältigen, bedarf es desweiteren der Erkenntnis, vor allem seitens der Politik, dass der größte Teil dieser Studenten nicht an den 'Elite/Exzellenz'-Einrichtungen studieren wird. Sie werden überwiegend an 'Ausbildungsuniversitäten anzutreffen sein. Dies bedeutet vermutlich eine verstärkte Verlagerung von Ausbildungsberufen aus dem 'dualen Ausbildungsweg'. Das kann dann nicht ohne Rückwirkungen auf Löhne/Gehälter bleiben. Wo eine höhere Investition, da kann auch mehr Gehalt verlangt werden oder zumindest ein adäquater Arbeitsplatz. Solche Absolventen verdrängen dann häufig Facharbeiter, die trotz ähnlich guter Ausbildung dann nur einfachere/nicht ausbildungsgerechte Tätigkeiten angeboten bekommen. Das Prinzip läßt sich heute bereits beim 'Ausbildungsberuf' Bankkaufmann beobachten. Letztendlich kann die Bewältigung des Studentenberges auch dazu dienen, die in normalen Verhandlungen nicht zu lösenden Probleme im Bereich Mindest/Kombi-Lohn zu erledigen. Wo Massen gut ausgebildeter Menschen auf einen kleiner werdenden Arbeitsmarkt treffen, beantwortet sich die Frage nach entsprechender Bezahlung von selbst. Deshalb, auch wenn es schmerzt:
Schaffung eines Niedriglohnsektors. Der Arbeitsmarkt muss flexibler werden. Heutige Arbeitsplatzbesitzer werden nur vordergründig durch ein kompliziertes Regelwerk geschützt. Wie sonst lassen sich Millionen von Arbeitslosen erklären. Ein Niedriglohnsektor bietet den mit weniger Qualifikation ausgestatteten Arbeitnehmern eine Perspektive sich in den Arbeitsprozess zu integrieren.
Wissenschaftliche Analyse zum Thema Akademikerproletariat und Generation
Praktikant: Will man sich nicht mit Hartmanns These vom klassenspezifischen
Habitus zufrieden geben sollten folgende Aspekte näher untersucht werden.Hätte
eine verstärkte Hinwendung zu Ingenieur-und Naturwissenschaftlichen Studiengängen
auch eine größere Beschäftigung für Akademiker bedeutet?
Was muss geschehen, damit auch Geistes-und Sozialwissenschaftler ihrer Ausbildung
entsprechende Beschäftigung finden, wohl gemerkt: adäquate Beschäftigung
bedeutet nicht gleich Spitzengehalt. Aber eine frühere Abkehr von der
BATisierung (BAT=Bundesangestelltentarif) hätte vielleicht auch ein mehr
an Beschäftigung für diese Akademikergruppe gebracht.
Eher homogene ausgerichtete Gesellschaften wie die Skandinavischen haben ein
für sie adäqutes Schul-und Hochschulmodell, dass in einer auf Unterschiede
ausgerichteten Gesellschaft wie der bundesrepublikanischen aber wenig Akzeptanz
finden wird. Wem diese gesellschaftliche Realität nicht behagt, muss
zunächst an anderer Stelle für einen Mentalitätswandel sorgen.
Oder, um es mit Jedimeister Yoda zu sagen: Do or do not, there is no try.
Wir schütteln über die U.S. Amerikaner den Kopf, die nach dem 11.9.01
ihre Bürgerrechte haben einschränken lassen, fürchten aber
die Möglichkeiten und Chancen, die der dortige Arbeitsmarkt den allermeisten
Menschen bietet. Während die Bundesbürger also akzeptieren, dass
es beim Verbrechn und Terror keine hunderprozentige Sicherheit geben kann,
wollen sie nicht akzeptieren, dass dies auch für alle sozialen Risiken
gilt, die absehbar sind.
Unsere Tradition eines staatlich-öffentlichen Bildungswesens begann zusammen
mit der kaptialistischen Moderne und dem Industriezeitalter. Das mit dessen
Ende auch eine Zäsur im Bildungswesen einhergeht, ist da nachvollziehbar.
Immer wieder wurden in den vergangenen 90er Jahren des letzten Jahrhunderts
die leeren öffentlichen Kassen bemüht, die ein öffentliches
Bildungssystem als Luxusgut darstellten.
Mittlerweile, auch aufgrund der PISA-Studien, ist man aber dazu übergegangen,
öffentliche Bildungseinrichtungen beibehalten zu wollen, um auch neue
entstandene Gerechtigkeitsvorstellungen damit zu verknüpfen. Es geht
hierbei um sehr viel Geld. Geldfragen sind Machtfragen. In einer solchen Auseinandersetzung
wird sich dann zeigen, wie die Frage des gesellschaftlichen Zugangs zum Wissen
gelöst werden soll.
6.10.2006